Schlagwort-Archive: Raoul Schrott

Archaische Dichtung und ihre Produzenten

Übersicht nach Schrott „Die Erfindung der Poesie“

 

Bezeichnung Namen Zeit Gattungen Tätigkeiten
aoidos Demodokos, Phemios

 

Enheduanna

Arbeitslied, Sprichwort, Zauberspruch, Genealogie, Annale, Legende, Gesetz, Lobgesang, Spottgesang, Mythos, Invokation, Inkantation, Divination musike = Musenereignis, Ritus: Musik, Wort + Tanz verschmolzen
Rhapsode [Kitharode] Homer, Hesiod # 8. Jh. v.u.Z. „Dichtung als eigene Gattung“, ungetrennt Rezitation
poietes (Demokrit] = Macher, Verfertiger, Erfinder 5. Jh. v.u.Z. Verseschmieden als Handwerk
lyrikos 3. Jh. v.u.Z. Lyrik, Epos, Drama „Liedermachen“ zur Unterhaltung

zugleich akademische Beschäftigung: sammeln, kanonisieren, interpretieren

 

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Raoul Schrott, Enheduanna

Scanbot 07.05.2018 01.36

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Metrik Datenblatt 1

Zur 1. Vorlesung am 16.10. 2014

1. meyers jugendlexikon ddr 1968:

metrik-julex

2. Raoul Schrott: „Die Erfindung der Poesie“. Gedichte aus den ersten viertausend Jahren. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 1997. 536 S., geb.

Rez.: http://www.deutschlandfunk.de/die-erfindung-der-poesie.700.de.html?dram:article_id=81321

3. Ezra Pound

No verse is libre for the man who wants to do a good job

4. Friedrich Nietzsche zerstört auch hier bisherige Gewißheit:

„alle Begriffe, in denen sich ein ganzer Prozess semiotisch zusammenfasst, entziehen sich der Definition; definirbar ist nur Das, was keine Geschichte hat.“

Friedrich Nietzsche: Zur Genealogie der Moral. II, 13.

5. Leif Ludwig Albertsen: Mörikes Metra. Wie im 19. Jahrhundert ein deutscher Dichter mit althergebrachten und weniger ausprobierten lyrischen Formen umgeht. Flensburg: Futura Edition, 1999. 79 Seiten. 3-924834-14-8 [ISBN]

6. Ernst Jandl (1925 – 2000)

erstes sonett

am reim erkennt man oft die zeile
auch an der wörter gleichen eile
am silbenschlag, der wie der takt
des drummers jene dichter packt
die nie beim jazz in ruhe bleiben
sondern es mit den beinen treiben
den füssen, die den boden schlagen
als könnten sie es nicht ertragen

bass, drums, trompeten, saxophonen
ohne Bewegung beizuwohnen.
wir sind vom selben holz gemacht
ihr schlagt und heult, und in uns kracht
ohrenbetäubend tag und nacht
donner der sprache, heult und lacht.

 

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Warum sprechen Sie immer von althochdeutscher oder babylonischer Dichtung?

Was bedeutet es, wenn Schrott 1997 eine Sammlung mit dem Titel “Die Erfindung der Poesie. Gedichte aus den ersten viertausend Jahren” herausgibt – die im 14. Jahrhundert endet? Wenn Thomas Kling (* 1957) nicht nur eine “Sapphozuschreibun´”, sondern auch eine eigene Auswahl von Catullnachdichtungen ediert? Wenn gleich zwei Dichter der 90er und einer der Nullerjahre das berühmte “Rätsellied” des Wilhelm von Poitiers (von Aquitanien, 1071-1127) übertragen? Wenn ein DDR-Dichter im Jahre 1956 den späten Minnesänger Oswald von Wolkenstein (ca. 1377-1445) zum Schutzheiligen wider den Dogmatismus erwählt? Oder wenn, nur ein letztes Beispiel, 35 Jahre später ein junger Dichter in Greifswald oder Ostberlin auf den alten Herrn Fischart (1547-1590) fällt? Und später ein althochdeutsches Gedicht vom „Weltenbrand“ in einer Fassung für den Prenzlauer Berg herausbringt?  (Bert Papenfuß) Oder, letztes Beispiel, wenn ein Schweizer Dichter Gedichte in einer Mischsprache aus Schwyzerdütsch und Althochdeutsch schreibt – und ein Motto des ältesten namentlich bekannten Schriftstellers deutscher Sprache voranstellt? Also Mittelalter und frühe Neuzeit für Lyrikleser am Anfang des 21. Jahrhunderts.

Als “Leitplanken” wähle ich einen Satz des griechischen Dichters  Dionysios Solomos:

Ich behaupte von mir nicht, ein direkter Nachfahre von Homer und Aischylos zu sein – indes überkommt mich oft ein Gefühl der Euphorie beim Gedanken, Wörter zu benutzen, die auch die ihren waren: Himmel zum Beispiel, Meer oder Wind.

(wie heißt das gleich auf althochdeutsch?!)

sowie drei Sätze des amerikanischen Dichters Ezra Pound:

1. “Ernst und Feierlichkeit sind gänzlich fehl am Platze selbst bei strengstem Studium einer Kunst, deren ursprünglicher Zweck es war, das Herz des Menschen glücklich zu machen.”

2. “Es ist meine feste Überzeugung, daß man durch genaue Kenntnis und Untersuchung einiger der besten Gedichte mehr über Poesie lernt als durch Herumarbeiten an sehr vielen.”

3. “Um geistiger Klarheit willen, und um Ordnung in seinen Gedanken zu bewahren, wird es dem Studierenden von Vorteil sein, das jeweils älteste Gedicht einer bestimmten Art zu lesen, dessen er habhaft werden kann.”

(alle drei aus: Ezra Pound: ABC of Reading)

Empfohlene Lektüre für Neugierige:

• Thomas Kling: Itinerar. edition suhrkamp 2006 (DM 12,80)

• Thomas Kling: Sprachspeicher. 200 Gedichte auf deutsch vom achten bis zum zwanzigsten Jahrhundert (14,90 ¤)

• Die Erfindung der Poesie. Gedichte aus den ersten viertausend Jahren. Hg. Raoul Schrott. Frankfurt am Main 1998 (Taschenbuchausgabe DM 49,80!)

• Ezra Pound: ABC of Reading (div. Ausg. – auf Deutsch aber vergriffen)

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4000 Jahre deutsche Lyrik?

Daß meine Überblicksvorlesung „die ersten 4000 Jahre“ der deutschen Lyrik behandelt, ist natürlich nur ein ironisches Zitat. Doppelzitat: einmal die Überbietung von Goethes 3000:

Wer nicht von dreitausend Jahren
Sich weiß Rechenschaft zu geben,
Bleib‘ im Dunkeln unerfahren,
Mag von Tag zu Tage leben.

Zum andern wörtlich aus dem Titel einer Anthologie von Raoul Schrott: „Die Erfindung der Poesie. Gedichte aus den ersten 4000 Jahren“.

Beide, Goethe und Schrott, werden natürlich vorkommen. Auch bei mir beginnt die neuere deutsche Lyrik mit Luther und – „in Froschpfuhl all das Volk verbannt / das seinen Meister je verkannt“ (Goethe) – Hans Sachs. Oder endet, da ich die Vorlesung mit der Lyrik des Jahres 2010 beginne.

Aber es kann nicht ausbleiben, gelegentlich von Arno Holz auf Otfrid von Weißenburg, von Goethe auf Hafis oder von Thomas Kling auf Guillaume IX, Duc d´ Aquitanie zu kommen. Was wäre Lyrik anderes als Beziehungen mit Worten stiften?

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