Baudelaire: Die Blinden

Material zum Referat von Melanie Teichmann

Deutsch von Wolf Graf von Kalckreuth:
DIE BLINDEN

Betrachte sie, mein Herz, wie sind sie fürchterlich!
Den Gliederpuppen gleich, fast lächerlich zu schauen;
Und wie Nachtwandelnde erwecken sie uns Grauen.
Durchs Leere tastet ihr erstorben Auge sich.

Die Augen, draus entflohn das Licht, das gottgeschenkte,
Erheben sie, als ob sie in die Ferne sähn,
Zum Himmel. Niemals noch sahst je du einen gehn,
Der träumerisch sein Haupt zu Boden niedersenkte.

Das Dunkel unbegrenzt, das sie umfangen hat,
Durchziehn sie, das verwandt der ewgen Ruh. O Stadt,
Indes du singst und brüllst, stets neuen Rausch zu finden.

In grauenhafter Lust, der du schon übersatt,
Schlepp ich mich auch, und mehr als sie zerstört und matt,
Frag ich: was suchen sie im Himmel, all die Blinden?

Ausgabe:
Charles Baudelaire: Die Blumen des Bösen. Übers. Wolf Graf von Kalckreuth, Anaconda, Köln 2009

Les Aveugles

Contemple-les, mon âme; ils sont vraiment affreux!
Pareils aux mannequins; vaguement ridicules;
Terribles, singuliers comme les somnambules;
Dardant on ne sait où leurs globes ténébreux.

Leurs yeux, d’où la divine étincelle est partie,
Comme s’ils regardaient au loin, restent levés
Au ciel; on ne les voit jamais vers les pavés
Pencher rêveusement leur tête appesantie.

Ils traversent ainsi le noir illimité,
Ce frère du silence éternel. Ô cité!
Pendant qu’autour de nous tu chantes, ris et beugles,

Eprise du plaisir jusqu’à l’atrocité,
Vois! je me traîne aussi! mais, plus qu’eux hébété,
Je dis: Que cherchent-ils au Ciel, tous ces aveugles?

— Charles Baudelaire

Gustav Dore, Satan in „Paradise Lost“

Les Fleurs du Mal (deutsch: Die Blumen des Bösen) ist ein Gedichtband Charles Baudelaires, der von 1857 bis 1868 in drei Fassungen wachsenden Umfangs und unterschiedlicher Anordnung herausgegeben worden ist. Die Erstausgabe führte zu einem gerichtlichen Verfahren: Baudelaire wurde wegen Verletzung der öffentlichen Moral verurteilt und die weitere Veröffentlichung von sechs als anstößig bezeichneten Gedichten verboten.Das dichterische Hauptwerk Baudelaires handelt vom Großstadtmenschen und dessen Langeweile, einer mit Widerwillen, Unlust und Verdruss verbundenen Entfremdung gegenüber dem Dasein. Es gilt in der Literaturgeschichte als Ausgangspunkt der modernen europäischen Lyrik.

Quellen: Charles Baudelaire: Die Blumen des Bösen. Übers. Wolf Graf von Kalckreuth, Anaconda, Köln 2009
http://www.ngiyaw-ebooks.org/ngiyaw/author/baudelaire.htm (18.11.14)
http://fleursdumal.org/poem/223 (18.11.14)
http://www.betterlivingthroughbeowulf.com/the-bulimic-and-miltons-satan/ (17.11.14)
http://www.dtv.de/buecher/die_blumen_des_boesen_les_fleurs_du_mal_12349.html#tabs (18.11.14)

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