Schlagwort-Archive: Charles Bernstein

Das schwierige Gedicht

Charles Bernstein

Das schwierige Gedicht

Wir alle haben es von Zeit zu Zeit mit einem schwierigen Gedicht zu tun. Manchmal handelt es sich um das Gedicht eines Freundes oder Familienangehörigen und zuweilen um ein Gedicht, das wir selbst geschrieben haben. Das schwierige Gedicht bereitet sowohl Dichtern als auch Lesern schon seit vielen Jahren Verdruss. Experten, die sich mit schwierigen Gedichten auseinandersetzen, führen das moderne Überhandnehmen dieses Problems häufig auf die Anfangsjahre des vorigen Jahrhunderts zurück, als eine ganze Reihe von gesellschaftlichen Erschütterungen den Ausbruch von 1912 – einen der bekanntesten Fälle von epidemisch auftretender schwieriger Poesie überhaupt – herbeiführte.

Während zwar detaillierte historische Erörterungen schwieriger Gedichte von diesen Experten bereit gestellt werden und eine beträchtliche Anzahl philosophischer Spekulationen und psychologischer Theorien über schwierige Gedichte vorliegt, stehen nur wenige praktische Anleitungen für den Umgang mit schwieriger Poesie zur Verfügung. Das Ziel meines Aufsatzes sehe ich daher darin, eine Reihe von Möglichkeiten zu untersuchen, die Ihre Erfahrung mit dem schwierigen Gedicht zu einem lohnenden Unterfangen machen sollen, indem Strategien zum Umgang mit diesen Gedichten erforscht werden.

Vielleicht fragen Sie sich, woher mein Interesse an diesem Thema stammt. Lassen Sie mich meine Situation offen darlegen. Ich bin Autor und ein häufiger Leser von schwierigen Gedichten. Aus diesem Grund verspüre ich den starken Drang, anderen Lesern und Autoren bei schwierigen Gedichten zu helfen. Indem ich meine dreißigjährige Erfahrung im Umgang mit schwierigen Gedichten mit Ihnen teile, kann ich Ihnen wahrscheinlich Zeit und Kummer ersparen. Vielleicht gelingt es mir sogar, Sie davon zu überzeugen, dass Ihnen manche der schwierigsten Gedichte, mit denen Sie es zu tun haben, zu äußerst bereichernden ästhetischen Erfahrungen verhelfen können – wenn Sie richtig mit ihnen umzugehen verstehen.

Zunächst muss allerdings die Frage geklärt werden, ob man es überhaupt mit einem schwierigen Gedicht zu tun hat. Wie wissen Sie, ob das zutrifft? Hier ist eine praktische Liste mit fünf Schlüsselfragen, die Ihnen bei der Beantwortung helfen sollen:

1. Fällt es Ihnen schwer, dem Gedicht etwas abzugewinnen?
2. Fällt Ihnen das Verständnis des Vokabulars und der Syntax des
Gedichts schwer?
3. Hadern Sie häufig mit dem Gedicht?
4. Ist das Gedicht schuld daran, dass Sie sich als Leser unfähig oder dumm
vorkommen?
5. Wird Ihre Phantasie durch dieses Gedicht beeinträchtigt?

Fortsetzung hier

Hinterlasse einen Kommentar

Eingeordnet unter Material

Zeitschriften

Für die Beschäftigung mit neuester Lyrik empfehle ich hier zwei Zeitschriften:

Randnummer (Hrsg. Philipp Günzel, Simone Kornappel) Nr. 5 soeben erschienen mit Texten aus 3 Generationen der bundesdeutschen Literatur:

Walter Höllerer (1922-2003) Gründer der Zeitschriften Akzente und Sprache im technischen Zeitalter, Herausgeber zahlreicher Anthologien (z.B.: Transit. Lyrikbuch der Jahrhundertmitte, 1956), Lyriker. Randnummer veröffentlicht unveröffentlichte Gedichte Höllerers aus den 60er Jahren.

Angelika Janz (1952 Düsseldorf) Autorin und Künstlerin (Lyrik, Prosa, Essays, Fragmenttexte, Performances u.v.a.)

Von den jungen Autoren dabei: Konstantin Ames (1979), Luise Boege (1985), Ann Cotten, Richard Duraj, Mara Genschel, Alexander Gumz, Norbert Lange, Silke Peters, Ron Winkler u.v.a.

Außerdem die amerikanischen Autoren Charles Bernstein und Bruce Andrews.

256 Seiten, 8 Euro

Hier eine Besprechung von Michael Braun

Hinterlasse einen Kommentar

Eingeordnet unter Literaturhinweise